Vereinbarkeit für Väter: Warum sie wichtig ist, und wie wir sie fördern

Im Herbst 2020 wurde vom Stimmvolk eine neue Vorlage angenommen, die gesetzlich zwei Wochen Vaterschaftsurlaub vorschreibt. Die zehn freien Arbeitstage können innerhalb von sechs Monaten nach Geburt des Kindes bezogen werden, am Stück oder verteilt auf einzelne Tage. Die Schweiz liegt dabei hinter Finnland, Spanien, Slowenien, Litauen und Portugal, die zwischen drei und neun Wochen Vaterschaftsurlaub im Gesetz verankert haben. Seit der Einführung des Vaterschaftsurlaubs in der Schweiz reduzieren auch frischgebackene Väter immer öfters ihr Pensum, damit sie sich die Kinderbetreuung und denHaushalt mit ihrer Partnerin teilen können. Nicht zu unterschätzen bei dieser Entwicklung ist die Haltung des jeweiligen Arbeitgebers. Denn dieser hat einen starken Einfluss: Erlaubt er lediglich den gesetzlich vorgeschriebenen Vaterschaftsurlaub, oder ist er bereit, seine Mitarbeitenden in dieser Hinsicht noch mehr zu unterstützen? Klar ist: Väter, die bei einer Firma angestellt sind, die ihnen einen längeren Vaterschaftsurlaub zugesteht, flexible Arbeitszeiten ermöglicht und auch die Option einer Pensenreduktion bereithält, haben es viel einfacher, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf tatsächlich zu realisieren. Väter hingegen, die in Unternehmen arbeiten, die nur den minimalen Vaterschaftsurlaub gewähren, durchgehende Präsenzpflicht verlangen ohne die Möglichkeit für Homeoffice und die keine Anpassung des Pensums ermöglichen, sind hier also eindeutig im Nachteil.

Das alte Lied der Rollenverteilung: Wo können wir ansetzen?

Trotz vieler Fortschritte über die letzten Jahrzehnte, und obwohl wir uns als Individuen vieles, was früher galt, nicht mehr vorstellen können, sind die Strukturen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens noch stark von traditionellen Geschlechterrollen und patriarchalen Denkmustern dominiert: sei es beispielsweise bei der AHV, bei der Besteuerung von Ehepaaren oder eben auch bei den Unternehmen, die mit adäquaten Angeboten, um Beruf und Familie zu vereinen, häufig nur Mütter ansprechen. Die bestehenden Strukturen verweisen darauf, dass noch immer davon ausgegangen wird, dass Frauen in erster Linie die Betreuung und Erziehung übernehmen. Von Männern wiederum wird erwartet, dass sie primär der Erwerbstätigkeit nachgehen und für die finanzielle Sicherheit der Familie zuständig sind. Dem Anspruch der Väter (und auch der Mütter!) auf das Papi-Sein und eine aktive Vaterrolle werden die Strukturen jedoch nicht gerecht.

Im gelebten Alltag wiederum sind es die kleinen Selbstverständlichkeiten, die diese alten Denkmuster offenbaren: Von einer Mutter wird stillschweigend erwartet, dass sie auf das Kind aufpasst – ein Vater hingegen wird für dasselbe gelobt. Wie toll, dass er auch einmal hilft beim «Babysitten»! Gleichzeitig aber wird ein Vater, der sich ausschliesslich auf die Erwerbsarbeit fokussiert und sich im Haushalt und bei der Kinderbetreuung weniger engagiert, als nicht modern, altbacken, alte Rollenmuster zementierend verunglimpft. Dies bringt Väter in eine seltsame Position: Einerseits wird heutzutage gesellschaftlich erwartet, dass sie einen Einsatz leisten für die Kinderbetreuung und das familiäre Zusammenleben, und zwar über die finanzielle Absicherung hinaus. Andererseits sind sie oft mit Denkmustern konfrontiert, die ihr Engagement im Haushalt und bei der Kinderbetreuung als bemerkenswert taxieren. Und insgesamt fehlen die notwendigen Strukturen zur Unterstützung der Väter, um eben beides miteinander vereinbaren zu können: Erwerbsarbeit und Vater-Rolle.

Denn eines ist klar: Auch wenn die Arbeitsbedingungen sich wandeln, so gibt es bei der Vereinbarkeit für Väter noch viel Luft nach oben. Dass beispielsweise die Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten, oft nur Müttern angeboten wird, scheint verständlich, wenn man davon ausgeht, dass die Mütter ihr Pensum viel häufiger reduzieren als die Väter. Aber genau um diese Realität zu verändern, braucht es Unternehmen, die auch die Bedürfnisse der Väter berücksichtigen – oder die ganz simpel und selbstverständlich auch den Vätern die Möglichkeit bieten, in einem Teilzeitpensum zu arbeiten.

Das Leben als Eltern vorausplanen – profawo berät Sie gerne

Wie soll man als Paar Arbeit, Kinderbetreuung und Haushalt untereinander aufteilen? Eines sei gesagt: Ein Patentrezept gibt es nicht. Umgekehrt gilt: Solange es für beide stimmt und nichts und niemand zu kurz kommt, ist es jedem Paar selbst überlassen, wie es sich organisieren will. Es ist einzig wichtig, dass ein Paar die für sich optimale Arbeits- und Aufgabenverteilung findet. Dabei gilt es, gegenseitig auf die individuellen Wünsche, Ansprüche und Bedürfnisse einzugehen. Eine klare und offene Kommunikation ist dabei unabdingbar. Es ist ratsam, diese Gespräche schon bei der Familienplanung – also bevor das erste Kind da ist – zu führen und sich für die Auseinandersetzung mit den zahlreichen Fragen genügend Zeit zu nehmen: Wer von uns reduziert im Beruf wieviel? Einigen wir uns auf eine 50/50-Verteilung? Oder arbeitet der/die Eine mit höherem Pensum, und der/die Andere bleibt mehr zu Hause? Wie teilen wir uns die Wochentage auf? Wie lässt sich eine Pensenreduktion mit Blick auf die damit einhergehenden finanziellen Auswirkungen optimal gestalten? Und brauchen wir eine externe Kinderbetreuung? Falls ja, in welcher Form? Soll das Kind in die Kita gehen? Oder passt eine Nanny vielleicht besser zu uns?

All diese Fragen können schnell überwältigend wirken und bergen für ein Paar Konfliktpotenzial. profawo bietet zu diesen Themen eine Beratung an. Mehr Informationen finden Sie am Ende des Blogs.

Kinder brauchen Beziehung

Die Vereinbarkeit für Väter ist nicht nur eine strukturelle Frage und eine Frage der Unternehmensrealitäten, sondern auch eine gesellschaftliche Frage. Die Kinder von heute sind die Erwachsenen von morgen. Für eine gesunde Entwicklung brauchen Kinder eine sichere Bindung. Diese baut auf Beziehung. Wenn den Vätern eine bessere Vereinbarkeit zwischen Beruf und Privatleben ermöglicht wird, können sie mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und dadurch eine engere Beziehung aufbauen. Aus dieser Perspektive kann man die Wichtigkeit und den Wert der Bindung zwischen Vater und Kind nicht überbewerten – diese Beziehung ist genauso wichtig wie jene zwischen Mutter und Kind. Es ist daher mehr als wünschenswert, dass sich der Vater für die Beziehung zu seinem Kind Zeit nehmen und präsent sein kann. Nebst der Entwicklung des Kindes kann auch die Elternbeziehung von einem präsenten Papi profitieren: Die Verantwortung für das gemeinsame Kind, sein Wohlergehen und seine Entwicklung zu einem stabilen, selbstsicheren Individuum lässt sich nur dann wirklich gemeinsam tragen, wenn beide Elternteile auch aktiv daran beteiligt sind. Das Gefühl wiederum, dass man als Paar diese Verantwortung gemeinsam trägt, kann entlastend und verbindend zugleich wirken.

Aktivitäten zur Förderung der Vater-Kind-Bindung

Wir haben Ihnen hier ein paar Ideen für Aktivitäten zusammengetragen, die die Bindung zwischen Vater und Kind stärken können:

Gute-Nacht-Geschichten

Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass Kinder auf vielen Ebenen profitieren, wenn ihnen regelmässig vorgelesen wird: Dies fördert die Sprachfähigkeit und erweitert den Wortschatz, ausserdem regen die Geschichten die Fantasie und das Erinnerungsvermögen der Kinder an. Zusätzlich schafft das Vorlesen Nähe.

Hausaufgaben und Schule

Der Eintritt in die Schule ist für ein Kind ein grosser Schritt. Es geht nicht mehr nur ums Spielen – plötzlich gibt es Hausaufgaben zu erledigen und Prüfungen zu schreiben. Der sogenannte Ernst des Lebens fängt an. Das Kind dabei zu unterstützen ist besonders wichtig. Zusammen Hausaufgaben machen und beim Lernen helfen kann dem Kind ein Gefühl der Sicherheit geben. Die daraus folgenden Erfolgserlebnisse stärken die Bindung.

Hausarbeiten erledigen

Auch mit kleinen Kindern im Haushalt zu arbeiten, ist auf der Beziehungsebene lohnenswert. Allerdings muss der Weg das Ziel sein, jedoch darf man nicht konsequent eine lange To-Do-Liste abarbeiten wollen. Kinder lieben es, mit anpacken zu dürfen. Gemeinsam Kochen, miteinander den Tisch decken: Bei allen Handlungen lernt das Kind neue Kompetenzen, was wiederum sein Selbstbewusstsein stärkt. Auch der Einkauf eignet sich als gemeinsame Aktivität: Die ganz Kleinen können so die Welt von einer Babytrage aus erkunden, während die etwas grösseren Kinder bereits beim Einkaufen helfen und auch ein eigenes Kinder-Einkaufswägeli schieben dürfen.

Kuscheln

Körperliche Nähe ist für Kinder enorm wichtig. Dies gibt ihnen ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Kuscheln stärkt zudem das Immunsystem. Ausserdem tut es auch den Eltern gut, die Nähe zum Kind zu geniessen. Beim Kuscheln mit Kindern denken die meisten sofort an Mütter – obwohl die Nähe zum Vater genauso wichtig ist. Insbesondere wenn Kinder älter werden, ist es wichtig zu beachten, dass nicht alle Kinder gleich viel körperliche Zuneigung brauchen und mögen.

Interessen weitervermitteln

Kinder lernen Hobbies und Aktivitäten oft durch die Eltern kennen. Auch Väter haben hier die Chance, ihre eigenen Interessen den Kindern weiterzugeben – und vielleicht eine neue Leidenschaft zu entfachen. Natürlich ist es wichtig, das Kind nicht zu etwas zu zwingen. Vielleicht entdecken Vater und Kind ein neues, gemeinsames Hobby?

Zuhören

Klingt sehr simpel, hat aber eine grosse Wirkung. Wenn ein Kind weiss, dass man mit dem Papi jederzeit über alles reden darf, kann eine enge Vertrauensbeziehung aufgebaut werden, das Kind fühlt sich wohl und gut aufgehoben. Eine starke Bindung hält dann auch bis ins Erwachsenenleben des Kindes an.

Spielen

Die meisten Väter machen dies wahrscheinlich sowieso schon. Auch ist Spielen eine sehr einfache Art, die Beziehung zum Kind zu stärken. Ob LEGO, Puppen, Puzzles oder sonst etwas – die Beteiligung des Vaters ist Gold wert und bereitet dem Kind eine riesige Freude.

Musik hören

Musik fördert sowohl die Sprachentwicklung als auch – durch Tanzen – die Bewegungsfähigkeit, denn die schönen Klänge verbinden. Ob man zusammen für das Mami eine Nummer einstudiert, oder zur Lieblings-CD des Kindes tanzt – es macht garantiert Spass und lässt tolle Erinnerungen entstehen.

Wandel der Gesellschaft

Die Bewegung für die Gleichstellung von allen Menschen ist in vollem Gange, und es gibt noch viel zu tun. Eine offenere und flexiblere Denkweise bietet neue Möglichkeiten – auch für Väter. Das Verständnis für Männer, die sich mehr auf die Kinderbetreuung fokussieren möchten, statt nur exklusiv auf die Arbeit, wächst stetig. Gewisse Erwartungen und Vorurteile der Gesellschaft gegenüber Männern – aber auch Frauen und anderen Geschlechtern – werden wohl noch eine Weile weiterbestehen.

Dies sollte Väter aber nicht davon abhalten, eine weniger traditionelle Rolle einzunehmen und mehr Zeit für die Kinderbetreuung und Hausarbeit aufzuwenden. Beide Elternteile sind für die Familie wertvoll und können mit effizienter Kommunikation und gemeinsamem Anpacken für ein glückliches und ausgeglichenes Familienleben sorgen. Unternehmen können ihre Mitarbeitenden dabei unterstützen.

Das Kurs- und Workshopangebot von profawo auf einen Blick

 Kurs- und Workshopangebote für Eltern haben sich in den letzten Jahren stark vermehrt. Wir meinen: Was allgemeine Erziehungstipps, Vereinbarkeit und Elternsein angeht, müsste es spezifisch für Väter mehr Angebote geben. profawo entwickelt sein Angebot deshalb stetig weiter.

Für Väter

profawo bietet dieses Jahr mehrere Online-Sessions für Väter an:

Für (werdende) Eltern

  • profawo bietet ein Beratungsgespräch zur Vereinbarung von Beruf und Familie. Dieses dauert ca. eine Stunde und ist für Mitarbeitende von Unternehmen, die Mitglied bei profawo sind, gratis. Für Nicht-Mitglieder ist der Stundenansatz CHF 150. Mehr Informationen und die Kontaktdaten finden Sie hier.

Welche weiteren Angebote würden Sie sich wünschen?

Wir sind dankbar für Ihren Input. Teilen Sie uns mit, von welchen Angeboten Sie als Vater, aber auch als Mutter oder Eltern gerne profitieren würden! Senden Sie uns eine E-Mail an schweiz@profawo.ch.

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