Schule neu denken: Was sich Familien wirklich wünschen

Das ElternMagazin von Fritz+Fränzi hat im Artikel „Schule neu denken“ die 20 wichtigsten Fragen gesammelt, die Eltern in der Schweiz derzeit beschäftigen – von der Unterrichtsqualität über Hausaufgaben bis hin zu Chancengleichheit und Betreuung. Die Erkenntnisse zeigen: Schule ist nicht nur Bildungsort, sondern auch ein Spiegel gesellschaftlicher Erwartungen – und ein entscheidender Faktor für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Die Schule steht heute vor Herausforderungen, die weit über Lehrpläne oder Notendruck hinausgehen. Kinder wachsen in einer komplexen, sich schnell wandelnden Welt auf – und brauchen eine Schule, die ihnen Halt gibt, Neugier fördert und sie auf ein selbstbestimmtes Leben vorbereitet. Viele Eltern wünschen sich mehr als reine Wissensvermittlung: Sie hoffen auf echte Beziehung, auf ein Umfeld, das Individualität zulässt, und auf eine Lernkultur, in der Kinder wachsen dürfen – mit all ihren Stärken und Schwächen.

Doch die Realität sieht oft anders aus. Das Schulsystem wirkt in vielen Bereichen starr, Lehrpersonen kämpfen mit engen Vorgaben und zu wenig Ressourcen, Eltern mit der Sorge, den steigenden Leistungsanforderungen gerecht zu werden. Nicht selten verlieren Kinder dabei das Vertrauen in sich selbst – und in die Institution Schule. Dabei ist längst bekannt, was Schule besser machen könnte: Beziehung vor Bewertung, Lernen aus echtem Interesse, gemeinsam getragene Verantwortung und eine Haltung, die Entwicklung ermöglicht.

Guter Unterricht gelingt dort, wo genügend Zeit, Spielraum und Unterstützung vorhanden sind. Differenzierung – also die individuelle Förderung je nach Lernstand – ist dafür zentral, gelingt aber nur, wenn Schulen personell entsprechend ausgestattet sind. Teamteaching, kleinere Lerngruppen oder pädagogische Unterstützung sind keine Luxusideen, sondern Grundvoraussetzung für echte Chancengleichheit. Dasselbe gilt für die Integration digitaler Medien: Tablets allein machen noch keinen zeitgemässen Unterricht. Entscheidend ist die didaktisch sinnvolle Anwendung – und das Know-how der Lehrpersonen, das durch gezielte Aus- und Weiterbildung gestärkt werden muss.

Ein weiterer Brennpunkt: Hausaufgaben. Sie werden in vielen Familien als Belastung empfunden. Studien zeigen, dass der Lerneffekt stark von der Qualität der Aufgaben abhängt – und davon, ob sie an den individuellen Entwicklungsstand des Kindes angepasst sind. Gerade für jüngere Kinder gilt: Weniger ist oft mehr. Wichtig ist auch, dass Lernen nicht nur ausserhalb, sondern verstärkt innerhalb der Schule stattfinden kann – insbesondere dort, wo Eltern wenig unterstützen können.

Zentral für viele Familien ist auch die Frage nach Betreuung und Tagesstrukturen. Der Bedarf an verlässlicher schulergänzender Betreuung steigt – doch das Angebot ist kantonal sehr unterschiedlich. In vielen Regionen fehlt es an ausreichenden Plätzen oder an durchgängigen Tagesstrukturen. Eine echte Ganztagesschule mit Lernzeiten, Mittagstisch, Förderangeboten und Freizeitgestaltung ist vielerorts noch Zukunftsmusik. Dabei wäre genau das ein wichtiger Baustein, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern – und um Bildungsungleichheiten früh abzufedern.

Denn nach wie vor hängt der schulische Erfolg in der Schweiz stark vom sozialen Hintergrund ab. Kinder aus bildungsfernen Haushalten oder mit Migrationsgeschichte starten oft mit Nachteilen ins Bildungssystem – und es gelingt nur unzureichend, diese auszugleichen. Frühförderung, gezielte Sprachförderung und niederschwellige Unterstützungsangebote können hier viel bewirken – wenn sie konsequent umgesetzt und finanziert werden.

Eltern spielen im schulischen Alltag eine wichtige Rolle. Doch nicht alle Familien haben dieselben Möglichkeiten, sich einzubringen. Schule sollte Eltern nicht überfordern, sondern als Partner auf Augenhöhe einbinden – mit klarer Kommunikation, gegenseitigem Vertrauen und transparenten Zuständigkeiten. Auch Lehrpersonen profitieren davon, wenn sie mit Eltern kooperieren können, ohne zusätzliche Belastung. Denn letztlich verfolgen alle dasselbe Ziel: das Wohl und die Entwicklung der Kinder.

Veränderung im Bildungssystem braucht Mut, Offenheit und die Bereitschaft, alte Strukturen zu hinterfragen. Sie gelingt nicht über Nacht, und politische Prozesse sind oft langwierig. Doch Wandel ist möglich – wenn er von innen kommt. Wenn Kinder als Subjekte wahrgenommen werden, nicht als Objekte von Unterricht. Wenn Lehrpersonen sich als Lernende verstehen und Schulleitungen den nötigen Raum für Entwicklung schaffen. Wenn Eltern mitdenken, mitwirken und auch Kinder selbst Verantwortung übernehmen dürfen.

Bei profawo erleben wir tagtäglich, wie sehr das Bildungssystem mit der Lebensrealität von Familien verknüpft ist. Wenn Betreuungsangebote fehlen, Schulzeiten nicht mit Arbeitszeiten vereinbar sind oder Kinder auf individuelle Förderung verzichten müssen, leidet nicht nur das Familienleben – sondern auch die Vereinbarkeit mit dem Beruf. Deshalb setzen wir uns für tragfähige Strukturen ein: mit familienfreundlichen Arbeitsmodellen, betrieblich unterstützter Kinderbetreuung und Beratungsangeboten, die Eltern entlasten.

Vertrauen, Beziehung und gemeinsames Engagement sind die Schlüssel. Veränderung beginnt im Kleinen: im Klassenzimmer, in der Familie, im Dialog. Jeder Schritt zählt – denn Bildung ist Beziehungsarbeit. Und die beginnt bei uns allen.

 

Quellenhinweis

Dieser Beitrag basiert auf dem Artikel „Schule neu denken: Antworten auf die 20 wichtigsten Fragen“ des ElternMagazins Fritz+Fränzi, verfasst von Sandra Markert.

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